Innovative Staatsangestellte: Gibt es sie? Wie kriegt man sie? Knapp dreissig Personalfachleute aus der Verwaltung diskutierten diese Fragen an der letzten staatskantine mit dem Berner Public Management Professor Dr. Adrian Ritz. Wir haben die Erkenntnisse des Austauschs destilliert und drei Thesen formuliert.
Es ist ein bekanntes Phänomen in jeder Organisation: Neue Ansätze erscheinen zunächst als Schlagworte am Horizont und kreisen dann kilometerhoch über dem Arbeitsalltag. Ob sie dort einen Niederschlag finden, hängt letztlich davon ab, wie sie konkreten Angestellten in konkreten Situationen helfen können, ebenso konkrete Probleme zu lösen. Das Thema “Innovation im öffentlichen Sektor” ist hier keine Ausnahme. Es sind letztlich die Staatsangestellten selber, die entscheiden, was innovative Ansätze für sie bedeuten und leisten können.
Genau hier setzte die ausgebuchte staatskantine mit Prof. Dr. Adrian Ritz an. Ausgehend von den Fragen “Innovative Staatsangestellte: Gibt es sie? Wie kriegt man sie?” präsentierte der Professor für Public Management und Leiter des Executive MPA der Universität Bern Erkenntnisse zu Innovation im öffentlichen Personalwesen. Wir haben seinen Input und die angeregte Diskussion mit knapp dreissig Personalfachleuten von Städten, Kantonen und diversen Bundesstellen (z.B. SECO, UVEK, WBF, Eidgenössisches Personalamt, Bundeskanzlei) auf drei Thesen zugespitzt.
1. Öffentliche Innovation ist nicht das Gleiche wie Innovation im Privatsektor: Es geht um Prozess-, nicht um Produktinnovation
Beim staatslabor hören wir in unserer Arbeit häufig, dass Innovation eine Aufgabe des Privatsektors sei. Die Verwaltung sei besser beraten, zu reagieren statt zu agieren, um gesellschaftliche Veränderung nicht von oben aufzuzwingen. Diese Position übersieht jedoch, dass Innovator/innen im öffentlichen Sektor, anders als viele ihrer Pendants in Unternehmen, zumeist nicht auf neue Produkte und Tätigkeitsfelder zielen. Was der Staat tut und welche Leistungen er produziert, ist politisch weitgehend vorgegeben.
Vielmehr geht es für innovative Staatsangestellte darum, die gesellschaftlichen Ziele und gemeinsamen Werte mit den gegebenen Mitteln besser zu erreichen. Oder darum, die Verwaltungsabläufe offener und partizipativer zu gestalten. Oder darum, die Umsetzung passgenauer auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger anzupassen. Kurz: Innovation heisst für die meisten Behörden Prozess-, nicht Produktinnovation. Es geht um das “wie”, nicht um das “was”, darin waren sich die Diskussionsteilnehmenden weitgehend einig.
2. Es gibt innovative Staatsangestellte: Sie sind frustresistente Profis, die am Gemeinwohl interessiert sind
Wer in der Verwaltung Abläufe überdenken und erneuern will, braucht Energie, Motivation und eine starke Orientierung am Gemeinwohl. Die Forschung zu innovativen Staatsangestellten zeigt, dass man aber vor allem auch ein Gespür für das Machbare und den geeigneten Zeitpunkt, das sogenannte “window of opportunity”, braucht. Dies setzt eine intime Kenntnis der Organisation voraus, Feinstofflichkeiten inklusive.
Für Professor Ritz ist dies denn auch ein wesentliches Kennzeichen von öffentlichen Innovatorinnen und Innovatoren: Als “frustresistente Profis” oder “bureaucratic entrepreneurs” kennen sie das System, haben es sich darin aber noch nicht zu bequem gemacht. Deshalb sind sie häufig unter den Angestellten mit mittlerer Verweildauer zu finden. Nicht immer, aber oft seien das die Leute im mittleren Kader, wie ein Diskussionsteilnehmer bemerkte. Das war eine Erkenntnis, die einige Anwesende überraschte, die die “public innovators” eher bei den jungen Wilden unten oder den hochfliegenden Strategen oben vermutet hätten.
3. Man kriegt innovative Staatsangestellte: Der öffentliche Sektor muss ihnen Freiheitsräume anbieten, diese aber in der Rekrutierung realistisch kommunizieren
Bei aller Wichtigkeit von persönlichen Innovationskompetenzen wurde in der staatskantine-Diskussion auch klar unterstrichen, dass Institutionen stärker als Individuen sind. Lebt eine Organisation Werte wie Lernbereitschaft, Kritikfähigkeit und Mitbestimmung nicht, wird auch der frustresistenteste Profi irgendwann aufgeben. Deshalb brauchen innovative Staatsangestellte ein Umfeld, das sie motiviert, ihre Ideen einzubringen und umzusetzen. Eine solche Kultur schafft man nicht über Nacht, wie unser Vizepräsident Max Stern neulich auch in einem Beitrag für Apolitical geschrieben hat: Kulturwandel ist das Resultat von Experimentieren und harter Arbeit.
Um eine öffentliche Innovationskultur zu kreieren, braucht es deshalb “zweite Bühnen” (Ritz) und Labore, wo Neues nicht nur diskutiert, sondern auch getestet werden kann. So werden Ideen im Kleinen ausprobiert und vielleicht verworfen, bevor sie als unhinterfragte Grundannahmen in grosse Konzepte gegossen werden, die dann nie recht fliegen wollen. Im öffentlichen Sektor ist eine solche Arbeitsweise oft noch ungewohnt, zumal in der Schweiz. Sie würde jedoch nicht nur die Millenials ansprechen, die jungen Berufseinsteiger/innen, die von der Arbeit Sinn und Selbstverwirklichung verlangen, sondern auch die mittelalten "frustresistenten Profis" nachhaltig motivieren.
In der Rekrutierung und dem "employer branding" des Staates ist diesbezüglich jedoch Vorsicht geboten. Versprechen Verwaltungen den Bewerberinnen und Bewerber zu schnelle Erfolge und zu viele Freiräume, werden sie sie enttäuschen und über kurz oder lang wieder verlieren. Besser ist es, Innovation als Mittel zum Zweck zu kommunizieren und zu leben. Zweck der Arbeit beim Staat ist immer das Gemeinwohl und die gesellschaftliche Wirkung. Das sind und bleiben für Staatsangestellte die schlagenden Argumente für eine Tätigkeit im öffentlichen Sektor. Wenn innovative Ansätze nutzbringend für das Gemeinwohl eingesetzt werden können, ist das deshalb für die Rekrutierung zielführend - und schliesslich auch für die Gesellschaft als Ganzes profitabel.