Lieber Herr Baumann, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Sie sich zu diesem Gespräch mit dem staatslabor über Social Impact Bonds (SIBs) und das Pionierprojekt, an dessen Umsetzung im Kanton Bern Sie beteiligt waren, bereit erklärt haben. Wie würden Sie SIBs für diejenigen unserer Leser, die mit dem Konzept noch nicht vertraut sind, auf einfache Weise erklären?
Der Social Impact Bond zeichnet sich durch verschiedene Elemente aus. In finanzieller Hinsicht handelt es sich um ein Darlehen, dessen Rückzahlung und Verzinsung davon abhängen, wie gut es gelungen ist, ein soziales Problem zu lösen. Damit das funktioniert, müssen Zielwerte definiert werden. Ein solcher Zielwert ist beispielsweise die Integrationsquote von Flüchtlingen im Arbeitsmarkt. Liegt dieser Zielwert bei 50%, so bedeutet das für den Social Impact Bond, dass die Rückzahlung und Verzinsung positiv ausfallen, wenn im betreffenden Integrationsprogramm mindestens 50% der Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt integriert wurden. Wird der Zielwert unterschritten, verliert der Investor einen Teil seines Kapitals.
Neben den finanziellen Aspekten spielt auch die Zusammenarbeit zwischen Staat, sozialen Institutionen und Privaten eine wichtige Rolle. Der Social Impact Bond ist eine Möglichkeit, soziale Probleme im Verbund mit allen Beteiligten zu lösen. Ein wichtiges Element ist die Einbindung des privaten Sektors, der sich im Rahmen eines Social Impact Bonds verpflichtet, an der Problemlösung mitzuarbeiten. Im Social Impact Bond in Bern erfolgt die Einbindung des privaten Sektors einerseits durch die Investoren, die den Social Impact Bond finanzieren und andererseits dadurch, dass sich Unternehmen für die Anstellung von Flüchtlingen engagieren.
Schlussendlich werden mit dem Social Impact Bond Anreizsysteme geschaffen. Der Social Impact Bond ist eine Möglichkeit, neue Ansätze und Methoden zu testen und die Experimentierfreude zu fördern. Aus staatlicher Sicht ist das deshalb interessant, weil im Falle eine Misslingens die privaten Investoren einen Verlust erleiden. Verluste werden für einmal privatisiert. Umgekehrt ist aus staatlicher Sicht die Gewinnbeteiligung im Falle eines Erfolgs kein Problem, da der Erfolg beispielsweise in der Integration bedeutet, dass Staatsausgaben eingespart werden können. Ein Teil dieser Einsparung kann privaten Investoren in der Form einer Verzinsung zurückgegeben werden. Anreizsysteme werden im Falle des Social Impact Bonds in Bern auch für die Sozialinstitutionen geschaffen. Diese erhalten einen Bonus, wenn sie die Flüchtlinge integrieren und müssen einen Malus leisten, wenn ihnen dies nicht gelingt. Die Sozialinstitution wird also belohnt, wenn sie einen Teilnehmer in den Arbeitsmarkt „los wird“. Damit wird eine Abgrenzung zu Finanzierungssystemen erreicht, die die Sozialinstitutionen mit Tagespauschalen entschädigen und diese letztendlich belohnen, wenn sie die Teilnehmer möglichst lange halten.
Wenn man Ihre Antwort so liest, hört sich das nach einer Ideallösung an: enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren, die Möglichkeit, neue Methoden anzuwenden sowie geringeres Risiko für die öffentlichen Finanzen. Warum sind SIBs dann noch nicht zu einer gängigen Praxis geworden?
SIB’s sind nicht das „Ei des Kolumbus“ und die Lösung für alles. Sie eignen sich in Situationen, in denen es darum geht, bestehende Lücken im Sozialsystem zu füllen oder neue Methoden zu erproben. Stellt sich der Erfolg ein, wird der Staat das Leistungsangebot meistens selber stellen wollen. Die SIB’s verschwinden dann. Die Etablierung einer Zusammenarbeit zwischen Staat, Sozialinstitutionen und Privaten im Rahmen eines SIB‘s ist nicht einfach. Im konkreten Fall des SIB’s im Kanton Bern dauerten die Vorverhandlungen gut drei Jahre und der SIB war nur dank einigen Kompromissen überhaupt möglich. So stösst beispielsweise die Idee von Anreizsystemen im Sozialwesen kombiniert mit finanziellen Bonus und Malus Folgen nicht überall auf Gegenliebe. Da gibt es zum einen die Auffassung, wonach eine Zielmessung im Sozialbereich fast nicht möglich sei und zum anderen ist der Anreiz für eine Sozialinstitution in die Einwilligung eines Bonus-Malus-Systems eher klein, wenn dieselbe Tätigkeit vom Staat auch ohne diese Auflagen finanziert wird. Insofern ist den beteiligten Sozialinstitutionen ein Lob auszusprechen, dass sie sich auf ein solches Experiment einlassen. Ein anderer Vorbehalt wird von der Öffentlichkeit oder der Politik oft formuliert. Er lautet vereinfacht gesagt, dass private Investoren im Sozialbereich nichts zu suchen haben und dass die Erzielung einer Rendite „auf dem Rücken“ von sozial Schwachen moralisch verwerflich sei. Diese Kritik blendet aus, dass eine solche Rendite nur möglich ist, wenn effektiv geholfen werden konnte und die Rendite eben genau nicht auf dem Rücken von sozial Schwachen erzielt wurde. Trotzdem sind das die Hauptherausforderungen beim Aufsetzen eines SIB’s und einer der Gründe, wieso diese nicht weiter verbreitet sind. Auf Seiten der Investoren entstehen die Vorbehalte etwa dann, wenn wie in deutschen Beispielen der Fall, der Staat die Meinung vertritt, dass die Investoren bereit sein müssen, das gesamte Kapital zu verlieren und auf der anderen Seite maximal eine Inflationsentschädigung erhalten dürfen, also eine Rendite zwischen einem und zwei Prozent. Ein solche Struktur ist eher eine Schenkung, denn eine Investition. Die Ausbalancierung aller dieser Interessen ist eine Herausforderung.
Stiftungen interessieren sich ja oft dafür, innovative Ansätze zu fördern, und möchten auch eine nachhaltige Wirkung erzielen. Denken Sie, dass die SIBs eine geeignete Methode für diese darstellen könnten?
SIB’s sind eine gute Methode für einen wirkungsorientierten Einsatz von Stiftungsmitteln. Der SIB kombiniert die soziale Wirkungsmessung mit den finanziellen Parametern und setzt so Anreize für einen effizienten und zielgerichteten Einsatz der finanziellen Mittel. Durch diese Kombination stellt der SIB die Erfolgskontrolle und die Auswertung eines Projektes sicher. In der Praxis gibt es allerdings einige Hindernisse im Einsatz von SIB’s bei Stiftungen. So ist beispielsweise oft unklar, ob die SIB’s eine Vergabung oder eine Investition einer Stiftung darstellen. Ist der SIB eine Vergabung, so läuft er in der Stiftung über das Vergabe- oder Spendenbudget. Dieses ist oft mit Bedingungen und Restriktionen versehen, angefangen beim Umfang der zur Verfügung stehenden Mittel bis zur Unmöglichkeit, sich über längere Zeiträume zu verpflichten. Idealerweise werden SIB’s auf der Investitionsseite angesiedelt. Dort trifft man allerdings oft auf Vorbehalte seitens der Vermögensverwalter und der Aufsichtsbehörden, die den SIB anlagetechnisch nicht richtig einordnen können. Der Einsatz von «mission related» oder Impact Investments wird vielfach mit Renditeverzicht gleichgesetzt. Diese duale Sichtweise der Renditemaximierung auf der einen Seite und der Spende auf der anderen Seite wird jedoch zunehmend herausgefordert durch die Möglichkeiten der wirkungsorientierten Anlagen.
Die SIBs erfordern von Ihrer Natur her, Wirkungsmessungen vorzunehmen. Ist das eine Tendenz, die Ihrer Ansicht in der Schweiz zunimmt?
Es gibt sicherlich einen allgemeinen Trend, die Wirkungsweise und die Verwendung von Sozialgeldern genauer zu beobachten. Die Sozialdetektive sind wohl ein Ausdruck davon, obschon sie keine eigentliche Wirkungsmessung darstellen. Der Kanton Bern hat in den letzten Jahren versucht, die Sozialhilfe mit einem Bonus Malus System effizienter auszugestalten. Dies ist jedoch auf heftigen politischen und rechtlichen Widerstand gestossen und wird gegenwärtig nur noch freiwillig weitergeführt. Der SIB Bern ist ebenfalls ein Projekt mit dem die Wirkung bestimmter Integrationsansätze evaluiert werden soll. Die Umsetzung bleibt jedoch schwierig, da Experimente mit sozial Schwachen moralisch sehr einfach an den Pranger gestellt werden können. Auf internationaler Ebene ist dies den beiden Ökonomen Esther Duflo und Abhijit Banerjee widerfahren, die verschiedene Methoden der Armutsbekämpfung in der Realität ausgetestet haben und dafür ebenfalls kritisiert wurden. Die Arbeiten, die im Buch «Poor Economics» zusammengefasst sind, leisten jedoch einen hervorragenden Beitrag zur Armutsbekämpfung. So wird vermutlich auch in Schweiz der Trend in Richtung vermehrter Wirkungsmessung zunehmen. Der Widerstand bleibt jedoch gross.
In welchen Zusammenhängen würden Sie in den nächsten Jahren gerne SIBs in der Schweiz angewandt sehen?
Zukünftige SIBs sind vor allem in Bereichen denkbar, die von der Sozialhilfe oder anderer staatlicher Unterstützung noch nicht vollständig abgedeckt sind. Ein spannender Bereich wären etwa Teeny-Mütter, denen man die Ausbildung und gleichzeitig die Kinderbetreuung finanzieren könnte. Damit könnte dem Lehrstellenmangel in gewissen Branchen etwas entgegen gewirkt und es könnte auf bereits bestehende Programme aufgebaut werden. Der SIB würde hier zu einer Skalierung und Ausweitung dieser Programme führen.
Marc Baumann ist Geschäftsführer der Invethos AG, Verwaltungsratspräsident der Impact Immobilien AG, der Social Impact AG und der Social Impact Bond AG, Vizepräsident der Siloah – Gruppe und Stiftungsrat verschiedener gemeinnütziger Stiftungen. Die Invethos AG ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, die nach ethischen Kriterien arbeitet und im Bereich Impact Investments tätigt ist. Er ist Fürsprecher und Notar und studierte Rechts-, Finanz- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Bern, Genf und Carnegie Mellon USA.
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