Seit dem Digitaltag 2019 veröffentlichen wir unsere Fragenserie zu den Digital- und E-Government-Strategien in allen Kantonen der Schweiz. Jeden Tag präsentieren wir so den Fortschritt und die Chancen sowie Herausforderungen in einem Kanton. Heute: Aargau!
Unser Interviewpartner: Daniel Brändli, Leiter Strategie und Aussenbeziehungen in der Staatskanzlei Aargau.
1. Was war die Motivation hinter der kantonalen Digitalisierungsstrategie? Auf welche Bedürfnisse und Herausforderungen im Kanton und den Gemeinden antwortet die Strategie?
[Daniel Brändli: ] Der Anspruch an Erreichbarkeit, Interaktion und digitalen Dienstleistungen generell gegenüber der öffentlichen Verwaltung ist in den letzten Jahren gestiegen. Die digitale Transformation umfasst aber mehr als den weiteren Ausbau von elektronischen Dienstleistungen. Sie ist eine stetige Veränderung und führt zu neuen Abläufen, neuen Formen der Zusammenarbeit und neuen Ansätzen der staatlichen Aufgabenerfüllung. Die digitale Transformation ermöglicht auch eine durchgängige Neugestaltung der föderalen Zusammenarbeit zwischen dem Kanton, seinen Gemeinden und dem Bund. Kundenprozesse der öffentlichen Verwaltungen sollten unabhängig von der Zuständigkeit bei Kanton, Gemeinden und dem Bund "End to End" gestaltet werden. Die Neugestaltung von Prozessen ermöglicht auch Effizienz- und Qualitätsgewinne.
2. Welches waren die Inspirationsquellen für die Ausarbeitung? Andere Städte, Kantone, Länder? Die nationale Strategie?
[Daniel Brändli: ] Mit der Strategie will der Regierungsrat die digitale Transformation strategisch vorantreiben und Impulse setzen. Er hat deshalb einen breit angelegten und interdisziplinär geführten Strategieprozess ausgelöst. Im Strategieprozess wurde ein gemeinsames Verständnis und ein Orientierungsrahmen für die digitale Transformation und Modernisierung der Verwaltung geschaffen.
In der Erarbeitung haben wir bestehende Strategien anderer Kantone, Smart City-Strategien in der Schweiz und im Ausland und die Strategie "Digitale Schweiz" des Bundesrats mit dem zugehörigen Aktionsplan gesichtet und ausgewertet. Auch die Leitlinien der Konferenz der Kantonsregierungen zur digitalen Verwaltung diente uns als Referenzrahmen. Ganz wichtig waren uns schliesslich die Learnings und Ansätze aus der Privatwirtschaft.
3. Welche Akteure waren an der Erarbeitung der Strategie beteiligt?
[Daniel Brändli: ] Die Strategie wurde von einer interdepartementalen Kerngruppe unter Leitung der Staatsschreiberin erarbeitet. Sie wurde begleitend in der Generalsekretärenkonferenz beraten und mit internen und externen Stakeholdern reflektiert. Wichtige Partner für die Umsetzung sind die Gemeinden, der Bund und die Aargauer Wirtschaft.
4. Es gibt Kantone, die bei ihrer Strategie einen eher weiten Bezugsrahmen wählen, z.B. die Digitalisierung in der Gesellschaft. Andere beziehen die Strategie enger z.B. auf die IT der Verwaltung. Welchen Bezugsrahmen hat Ihre Strategie - und welche Gründe gibt es für den gewählten Bezugsrahmen?
[Daniel Brändli: ] Die Strategie richtet sich als Dachstrategie sowohl nach aussen wie nach innen: Nach aussen schafft der Regierungsrat zusammen mit den Mitarbeitenden der kantonalen Verwaltung die Voraussetzungen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft im Austausch mit staatlichen Stellen zu erfüllen. Nach innen definiert die Strategie den Auftrag an die Führungskräfte der Kantonsverwaltung und ihre Mitarbeitenden. Die Strategie dient als Anknüpfungspunkt für die verschiedenen Fachstrategien und -programme des Kantons wie zum Beispiel die IT-Strategie, die E-Government-Strategie oder die Personalstrategie.
5. Welches laufende Projekt in Ihrem Kanton ist Ihrer Meinung nach ein gutes Beispiel für die Stossrichtung der Strategie?
[Daniel Brändli: ] Dass die digitale Transformation beim Kanton Aargau schon begonnen hat, zeigt ein beispielhafter Überblick über eine Vielzahl an bereits bestehenden beziehungsweise neu lancierten Digitalisierungs- und Modernisierungprojekten:
Der Halterwechsel eines Fahrzeugs kann im Kanton Aargau direkt bei einer Garage in der Nähe des Wohnorts vorgenommen werden. In Zukunft wird auch die Reparaturbestätigung nach einer Fahrzeugprüfung direkt vom Garagisten erledigt werden. Die Fahrt zum Strassenverkehrsamt oder der entsprechende Schriftenwechsel erübrigt sich dann. Ein weiteres Beispiel ist die Realisierung des Vorhabens "JUST-VU (Veranlagen Juristische Personen)" im Jahr 2020. Damit sollen die Online-Steuererklärungen auch bei juristischen Personen eingeführt werden.
Weitere aktuelle Digitalisierungsvorhaben oder Projekte umfassen beispielsweise:
- Der Lehrstellennachweis des Kantons Aargau (LENA) und das interkantonale Lehrbetriebsportal,
- das Open Government Datenportal von Statistik Aargau,
- die elektronische Abrechnung im Asyl- und Sozialhilfebereich (ELAAS),
- das Umweltdatenportal EnVIS,
- oder das digitale Amtsblatt (DIAM).
6. Welche Herausforderung gibt es ganz konkret in der Praxis, mit denen Sie und Ihre Einheit bei der Umsetzung der Strategie konfrontiert sind?
[Daniel Brändli: ] Jede Reform, jedes Projekt und jede Neugestaltung eines Verwaltungsablaufs umfassen heute wesentliche Schritte in Richtung Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Bei der grossen Zahl an laufenden Umsetzungsprojekten und neuen Projektideen gilt es deshalb, den Überblick zu bewahren und klare Prioritäten zu setzen. Es ist auch ganz entscheidend, dass Schlüsselpersonen aus allen Departementen in die Projektumsetzung eng einbezogen werden und dass starke interdisziplinäre Teams gebildet werden. In der Staatskanzlei wurde im August 2019 deshalb eine Programmleitung installiert, die in erster Linie koordiniert, kommuniziert und die richtigen Leute zusammenbringt.
7. Wenn Sie das entscheiden könnten: Gibt es Formen und Gefässe für den Austausch mit anderen Kantonen oder Ländern, die Sie lancieren würden, um von den Erfahrungen der anderen besser profitieren zu können?
[Daniel Brändli: ] Es sind wohl eher nicht neue Gremien und Gefässe, die zum Erfolg führen. Ganz wichtig ist das persönliche Netzwerk. Ich würde es begrüssen, wenn Fachkräfte und Projektleitende dazu ermutigt werden, den persönlichen interkantonalen und staatsebenenübergreifenden Kontakt zu pflegen. Der Austausch an Fachwissen und Erfahrungen sollte niederschwellig sein und keinem fixen Rhythmus folgen. Bevor man sich an ein neues Projekt wagt, ist das Benchmarking mit Kolleginnen und Kollegen "von der Front" ganz essentiell, damit das Projekt dann auch erfolgreich umgesetzt werden kann. So teilen wir unser Wissen optimal und verhindern Fehler, die anderswo schon passiert sind und behoben wurden.
Wir bedanken uns für die Beantwortung unserer Fragen und wünschen weiterhin viel Erfolg bei den Digitalisierungsbemühungen im Kanton!