“Testen, testen, testen”: Mit User-Tests zur benutzerfreundlichen Diplomanerkennung

Wegweiser zur Anerkennung für die Berufsausübung

Maria kommt aus Italien, hat dort studiert und möchte in der Schweiz als Lehrerin arbeiten. Dafür ist eine Anerkennung ihrer italienischen Berufsqualifikationen nötig. Die Kontaktstelle des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) berät Menschen wie Maria bei der Diplomanerkennung, erklärt ihnen, welche Schritte für eine Anerkennung nötig sind und welche der verschiedensten Institutionen zuständig ist.

Aktuell läuft diese Beratungsleistung über eine Vielzahl von Online-Merkblättern und eine telefonische Hotline. Neu sieht das SBFI vor, alle Standardanfragen mittels eines interaktiven Online-Wegweisers zu beantworten. Diese machen gut 8 von 10 Fällen aus. Damit werden Nutzerinnen und Nutzer nach Beantwortung einiger Fragen eine personalisierte Empfehlung zum weiteren Vorgehen für ihre Diplomanerkennung erhalten. Die telefonische Hotline kann sich im Anschluss auf die 20% der komplexeren Fälle konzentrieren, welche online nicht zuverlässig abgedeckt werden können. Dies erhöht die Dienstleistungsqualität für alle Nutzerinnen und Nutzer.

Das staatslabor hat dieses Projekt, wie auch schon in einem Artikel auf der SBFI-Webseite dargestellt, seit der Konzeptphase begleiten dürfen und jüngst zusammen mit dem SBFI und sechs Nutzerinnen und Nutzern User-Workshops zum interaktiven Wegweiser durchgeführt. Dazu haben wir Personen eingeladen, welche das SBFI kürzlich um Beratung zur Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen in der Schweiz angefragt hatten. Ziel der Workshops war, das Konzept für den Wegweiser vor Beginn der Entwicklungsphase zu testen.

Der Test umfasste zwei Teile. Im ersten Teil arbeiteten die Testpersonen an einem grafisch weit entwickelten interaktiven Prototypen, welcher es erlaubte, ein vordefiniertes Szenario (jenes der Lehrerin aus Italien) zu testen. Im zweiten Teil konnten sich die User in einer grafisch rudimentären Applikation durch ihren “eigenen Fall” durchklicken.

Aus diesen Tests mit Nutzerinnen und Nutzern haben wir viel gelernt. Hier sind fünf der zentralen Erkenntnisse:

  • 1. Tests mit Nutzerinnen und Nutzern sind auch in einem fortgeschrittenen Projektstadium hilfreich
  • 2. Es kann auch “zu modern” sein
  • 3. Ein klarer, einfacher User-Flow zahlt sich aus
  • 4. User-Tests lassen sich kostengünstig mit einfachsten Mitteln durchführen
  • 5. Bei Systemübergängen scheitern User häufig

 

1. Tests mit Nutzerinnen und Nutzern sind auch in einem fortgeschrittenen Projektstadium hilfreich

Selbst nach früheren User-Tests und monatelangen Konzeptarbeiten: das Lernpotential von User-Workshops bleibt auch in späteren Projektphasen hoch. Dies trifft besonders auf Projektmeilensteine wie den bevorstehenden Start der Programmierung des interaktiven Wegweisers zu.

Im konkreten Fall hatten wir die Entwicklung eines realitätsnahen Entwurfs (Design-Prototyp) des Wegweisers durch die Experten einer Web-Agentur angeregt. Das Resultat ist ein frischer und schlanker Wegweiser mit einfacher User-Führung:

Der Entwurf ging über eine Grafik oder ein Video hinaus. User konnten sich durch einen vorprogrammierten Fall klicken (jenen der Lehrerin aus Italien) und somit den Wegweiser interaktiv erleben.

2. Es kann auch “zu modern” sein

Während der Entwurf des interaktiven Wegweisers insgesamt sehr gut ankam, zeigten die User-Tests auch Verbesserungsbedarf auf.

Eine Stärke des Wegweisers ist, dass dieser verschiedene Nutzerangaben auf einer Seite in Dialogform abholt. Somit entfällt, im Gegensatz zu traditionellen Eingabemasken, das Springen von einer zur nächsten Seite.

Der Einstieg in diese Dialog-Logik fiel jedoch nicht optimal aus. Anstelle von Auswahlmenüs haben die User bei dem blau unterstrichenen Text Links auf Drittseiten erwartet. Viele User haben daher gezögert, in den interaktiven Dialog einzusteigen. Hier fiel die Gestaltung zu modern aus und sollte sich eher an den traditionellen Konventionen ausrichten - oder alternativ aktiv auf die unkonventionelle Funktionsweise hinweisen.

 

3. Ein klarer, einfacher User-Flow zahlt sich aus

Am Ende des interaktiven Wegweisers steht eine personalisierte Empfehlung, welche folgende Fragen beantwortet: welche Stelle bearbeitet meine Diplomanerkennung, was kostet der Prozess und mit welcher Dauer muss ich rechnen?

Anschliessend wählt der User zwischen drei Aktionen aus. Nutzerinnen und Nutzer können über ein Kontaktformular Rückfragen stellen, sie können über einen Link zur Webseite der zuständigen Anerkennungsstelle gelangen, um dort mehr Informationen zu erlangen, und sie können ein Anerkennungsgesuch bei der zuständigen Stelle einreichen. Die Tests haben gezeigt, dass zwei der Möglichkeiten vermutlich ausreichen und dass das Weglassen des Links zu den Webseiten der jeweiligen Anerkennungsstellen Verwirrung vorbeugt und diese ohne Informationsverlust weggelassen werden kann.

Die Reduktion der Optionen hilft den NutzerInnen gar. Denn je mehr Optionen, desto grösser das Potential für Missverständnisse und das Übersehen von zentralen Funktionen. Weniger ist mehr.

 

4. User-Tests lassen sich kostengünstig mit einfachsten Mitteln durchführen

Für den realitätsnahen Design-Entwurf des Wegweisers war die Unterstützung durch Grafik-Profis zentral (siehe Screenshots oben). Häufig reichen aber auch einfache Web-Applikationen aus, um User-Tests durchzuführen.

So haben wir für den zweiten Teil der User-Workshops ein simples Web-Tool verwendet, um Entscheidungsbäume zu erstellen. Mit diesem konnten wir einen interaktiven Wegweiser nachbauen und ihn auf den individuellen Fall jeder Userin abstimmen. Der Test konnte also nicht mehr nur mit einer einzigen fiktiven User-Persönlichkeit erfolgen (der Lehrerin aus Italien), sondern mit den tatsächlichen Berufsqualifikationen der Nutzerin.

Das Testen an persönlichen Fällen half, gewisse komplexere Anerkennungsfälle vor der Programmierung nochmals durchzudenken.

 

5. Bei Systemübergängen scheitern User häufig

Der interaktive Wegweiser endet mit dem Verweis auf die zuständige Anerkennungsstelle. Die NutzerInnen verstehen zwar, dass sie zu diesem Zeitpunkt mit einer neuen Stelle in Kontakt treten. Schlussendlich spielt es für sie aber keine Rolle, welcher Teil des Prozesses durch welche Institution verwaltet wird: ihr Ziel ist es, möglichst schnell eine Diplomanerkennung abklären und abschliessen zu können.

Hier ist es hilfreich, wenn der Schritt von der Empfehlung im Wegweiser ins Anerkennungssystem möglichst einfach ausfällt. Für Gesundheitsberufe, die vom Schweizerischen Roten Kreuz betreut werden, ist dies beispielsweise der Fall dank einer einfachen Registration mit Kontextinformationen. Für andere Berufe ist eine Anmeldung über die obligatorische Registrierung für Web-Applikationen des Bundes nötig. Da diese komplexer ausfällt, wird das SBFI den Übergang zwischen Wegweiser und Bundes-Registration durch weitere Einstiegshilfen abfedern, bis künftig eine nahtlose Integration erzielt ist. Auch dies eine Idee, die während der User-Workshops aufgekommen ist.

Typische Registration bei SRK

Komplexere Registration beim Bund

 

Diese fünf Erkenntnisse sollen, neben anderen Beobachtungen und Einsichten, welche wir in den User-Workshops sammeln konnten, in die Entwicklung des interaktiven Wegweisers zur Diplomanerkennung einfliessen. Nach Abschluss einer ersten programmierten Version (dem Minimal Viable Product) und vor Einführung der finalen Applikation sind, ganz im Sinne einer nutzerzentrierten Entwicklung von Behördendienstleistungen, weitere User-Tests geplant.

Maria, die Lehrerin mit italienischem Diplom, wird dank diesen Tests in naher Zukunft schnell und kompetent Auskunft erhalten, mit welcher Anerkennung sie in der Schweiz arbeiten kann. Einmal mehr zeigt sich, dass ein erfolgreiches Projekt von Beginn weg auf die Rückmeldungen und Bedürfnisse von Nutzer*innen eingehen muss und nicht im Elfenbeinturm entwickelt werden kann.

 

Falls Sie Kommentare und Anregungen zum Wegweiser oder zu User-Tests im Allgemeinen haben, freuen wir uns über Ihre Nachricht.