von Patrick Stadler und Maximilian Reiterer
Unterstützt vom Bundesamt für Gesundheit, bauen wir vom staatslabor die Bewegung Mindful Drinking Switzerland (MINDS - Arbeitstitel) auf. Immer mehr Menschen erachten einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol als wichtig. Diesen Trend greifen wir zusammen mit führenden Organisationen in Präventions- und Suchtfragen auf.
Lebensstil- anstatt krankheitsorientiert
Ein Erfolgsrezept der “Mindful Drinking” Ansätze ist, die Lebensqualität der Menschen nicht zwingend mit einem abstinenten, sondern mit einem achtsamen Verhalten zu erreichen. Die Kommunikation des Projekts ist daher nicht krankheits- und defizitorientiert, sondern lebensstil- und ressourcenorientiert. Die Botschaft von MINDS ist positiv: für die grosse Mehrheit der Bevölkerung ohne Suchtproblematik ist ein nachhaltiger Genuss möglich.
Das Projekt baut auf nutzerzentrierte Ansätze und Workshops auf. Zur Sprache kommen nicht nur Fachleute, sondern auch die Zielgruppe selbst: Menschen von 25 bis 40, die kein Alkoholproblem haben, ihren Umgang mit Alkohol aber auf eine lustvolle Weise reflektieren möchten.
Ein Erfolgsfaktor der ExpertInnen-Gespräche waren die unterschiedlichen Hintergründe der Interviewpartner: von Suchtfachleuten aus der Praxis über Wissenschafter bis hin zu Gastro- und Nightlife-Vertretern. Auch die Erfahrungen aus dem Ausland, etwa aus dem Vereinigten Königreich oder Deutschland, haben wir gezielt abgeholt. Die Liste der GesprächspartnerInnen kann man ganz unten im Beitrag finden.
Erste Erkenntnisse
Hier einige der Punkte, die im Verlauf der Gespräche aufkamen. Natürlich lassen sich in so einem Beitrag Kernaussagen nur verkürzt darstellen. *
- Negative Botschaften können kontraproduktiv wirken und bei Risikogruppen das Gegenteil der gewünschten Wirkung auslösen (Warnungen können gerade bei männlichen Jugendlichen etwa als Konsummotivation wirken).
- Der gegenwärtige Trend eines gesunden Lebensstils kann für das Projekt gut genutzt werden. Der Alkoholkonsum in der Schweiz hat seit Mitte der Neunziger Jahren um beinahe 20% abgenommen. Dies hängt u.a. mit einem gestärkten Gesundheitsbewusstsein zusammen.
- Im Alter von Mitte zwanzig entscheidet sich häufig, ob jemand das jugendliche Trinkverhalten ablegt oder in ein tägliches Trinkritual verfällt. Insofern ist diese Zielgruppe entscheidend.
- Alle gesellschaftlichen Schichten sind betroffen, bei gut ausgebildeten ist episodisches Trinken (“Binge Drinking”) ein Problem, wo innert kurzer Frist viel getrunken wird. Dies gilt in zunehmendem Mass für berufstätige Frauen mit guter Ausbildung.
- Es gibt in der Schweiz eine Vielzahl an Präventionsangeboten, die in der breiten Öffentlichkeit relativ wenig bekannt sind. Bestehende Angebote sind in Mindful Switzerland zu integrieren, anstatt neue zu schaffen.
- Erfolgreiche Präventionsangebote haben eine klar definierte Zielgruppe. Projekte, die ganz verschiedene Segmente abdecken möchten, haben wenig Aussichten auf Erfolg.
- Hochwertige alkoholfreie Getränke befinden sich im Aufschwung. Die Bandbreite reicht von trendigen Sodas bis hin zu Alkoholimitaten, die bereits eine hohe Qualität haben. Besonders viel Potential hat der Markt mit alkoholfreiem Bier.
Auf Basis der ExpertInnengespräche haben wir verschiedene vielversprechende Angebote identifiziert und neue Ideen entwickelt. Darunter etwa Dry January, eine temporäre Abstinenz im Monat Januar, welche in Grossbritannien bereits sehr populär ist und den Alkoholkonsum nachweislich senkt.
Diese Ideen testen wir in einem nächsten Schritt in virtuellen User-Workshops. Anschliessend holen wir nochmals das Feedback der Fachleute ab. Und wenn es die Situation zulässt, können wir im Sommer ausgewählte Projektideen im Rahmen eines physischen Workshops finalisieren. Gegen Ende des Jahres lancieren wir schliesslich zusammen mit unseren Partnerorganisationen die MINDS-Plattform im Web und auf Social Media, welche virtuelle wie persönliche Angebote bündelt.
Mitmachen erwünscht
Haben wir wichtige Fachleute vergessen? Wohnst du in der Schweiz und bist zwischen 25 und 40 Jahren alt und möchtest an einem Abend im Mai an einem zweistündigen User-Workshop teilnehmen? Hintergrundwissen ist nicht notwendig. Wir suchen nach einem breiten Durchschnitt aus der Bevölkerung. Melde dich bei uns über dieses Kontaktformular!
Möchtest du über den Launch von Mindful Drinking Switzerland informiert werden? Dann abonniere unseren Newsletter. Siehe unten auf dieser Seite.
Herzlichen Dank an unsere ExpertInnen für die interessanten Gespräche!
Gesprächspartner aus dem Ausland
- Gideon Bellin, CEO Sober Sensation, Deutschland
- Jussi Tolvi, Direktor und Co-Founder Club Soda, United Kingdom
- Benjamin Becker, Blaues Kreuz, Deutschland
- Peter Kenzelmann, Zeroliq (alkoholfreie Bar), Deutschland
Gesprächspartner aus der Zivilgesellschaft und öffentlichen Hand
- Markus Wildermuth, Sub-Teamleiter Blaues Kreuz, Bern
- Simon Weiss, Nationaler Koordinator Timeout und Blue Cocktail Bar Blaues Kreuz, Bern
- Alexander Bücheli, Geschäftsführer Bar & Club Kommission, Zürich
- Christina Spagnolo, Leiterin Gesundheitsförderung und Prävention Berner Gesundheit, Bern
- Chantal Bourloud, Geschäftsführerin Am Steuer Nie, Zürich
- Franziska Eckmann, Leiterin Infodrog, Bern
- Kathrin Leisi, Präsidentin Barkeeper-Union, Schöfflisdorf
- Stefanie Knocks, Generalsekretärin Fachverband Sucht, Zürich
- Jean-Felix Savary, Generalsekretär Groupement Romand d'Etudes des Addictions (GREA), Lausanne
- Weitere ungenannte Staatsangestellte aus dem Präventions- und Alkoholbereich
Gesprächspartner aus der Wissenschaft
- Martin Hafen, Professor Hochschule Luzern, Institut Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention, Luzern
- Irene Abderhalden, Professorin Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit, Olten
- Severin Haug, Professor Universität Zürich, Leiter Schweizer Institut für Sucht, Zürich
- Holger Schmid, Professor Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit, Olten
- Urs Gerber, Professor Fachhochschule Nordwestschweiz, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit, Olten
- Marcel Krebs, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachhochschule Nordwestschweiz & Redaktionsleiter SuchtMagazin Infodrog, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit, Olten
*Wir möchten betonen, dass nicht alle aufgeführten ExpertInnen hinter den genannten Aussagen stehen. Es handelt sich um eine Zusammenfassung, die nicht Aufschluss über die Ansichten oder Aussagen einzelner ExpertInnen gibt.