Die Komplexität der Probleme, mit denen die Verwaltung konfrontiert ist, nimmt stetig zu. Gleichzeitig steigen die Erwartungen von Bürgern und Unternehmen. Die Schweiz hat bereits eine im internationalen Vergleich ausserordentlich bürgernahe Verwaltung. Dank des Milizsystems kann die politische Führungsebene automatisch von einem Austausch mit der Privatwirtschaft profitieren, die Angestellten der öffentlichen Verwaltung hingegen profitieren kaum von einer Interaktion und sammeln selten Erfahrung in der Privatwirtschaft. Innovation gedeiht oft an unerwarteten Orten, darum lohnt sich der Blick nach aussen. Slowenien und Brasilien haben neue Wege gefunden, um den Austausch zwischen Verwaltung und Gesellschaft sowie Wirtschaft zu fördern. Wir stellen beide vor.
Seit 2015 tauschen in Slowenien Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung ihren Arbeitsplatz für eine Woche mit Angestellten in der Privatwirtschaft. Die Initiative, “Partnership for Change” genannt, ermöglicht nicht nur einen gegenseitigen Einblick in den Arbeitsalltag des jeweils anderen, sondern konfrontiert die Teilnehmenden auch mit den entsprechenden Herausforderungen. Indem die öffentliche Verwaltung das Potenzial von zeitgemässen Methoden ausschöpft, solche einsetzt, Kreativität steigert und das Vertrauen unter den Mitarbeitern erhöht, geht Slowenien Herausforderungen an, die wir auch aus der Schweiz kennen - demographische Veränderung, Digitalisierung oder auch Spardruck. Mittels Workshops wurden im Jahr 2016 gemischte Teams aus Mitarbeitenden der Verwaltung und aus dem Privatsektor zusammengestellt. Die Teams eruierten Lösungsansätze für Herausforderungen wie die Benutzerfreundlichkeit des e-Service, das Steigern der Motivation der Mitarbeitenden oder auch das Fördern der internen Zusammenarbeit der Verwaltungen. Diese Lösungsansätze werden umgesetzt und dieses Jahr aktiv implementiert.
Das Projekt baut auf Teamwork und persönlichem Engagement auf und basiert auf freiwilliger Teilnahme. Es fusst auf der Idee, dass die Teilnehmenden durch ihre Eigeninitiative lernen sich zu respektieren und gegenseitig zu verstehen. Zusätzlich können sie so ihre Soft-Skills und Kommunikationsfähigkeiten entwickeln. Die Initiative wurde mit dem Departement für Administration und 23 lokalen Firmen gestartet. Heute sind an dem Projekt sechs Departemente und 36 Firmen aktiv beteiligt. Darunter befinden sich auch internationale Firmen, wie Microsoft, IBM, KPMG oder PwC. Das Projekt findet grossen Anklang, ist bereits in seiner dritten Runde angelangt und wächst konstant.
Ein anderes Beispiel ist in Brasilien zu finden. Aktuelle Herausforderungen werden durch einen Austausch angegangen und zeitgerechte Lösungen geschaffen. Anders als in Slowenien wird hier auf der freiwilligen Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen aufgebaut. Das Agents of Open Government Program orientiert sich an einer Notwendigkeit und öffnet die Türen der öffentlichen Verwaltung, um von den Erfahrungen und Methoden der Gesellschaft zu lernen. Auf Initiative der Stadt São Paulo wurde ein Projekt geschaffen, in dem die Angestellten der öffentlichen Verwaltung Kurse belegen, die von den Bürgern konzipiert und angeboten werden, mit dem Ziel, zeitgemässe Lösungen für und mit der Bevölkerung zu schaffen.
Die Regierung von São Paulo hat zwischen November 2015 und Ende 2016 Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, die von freiwilligen Bürgern als Unterrichtszimmer genutzt wurden. In den Räumlichkeiten wurden Kurse und Workshops für die Mitarbeitenden der öffentlichen Verwaltung angeboten, zu Themen wie Transparenz und Open Data, Datenmapping oder kollaborativer Technologie und Management. Über 15’000 Personen haben die Möglichkeit wahrgenommen und die Kurse sowie Workshops besucht, die durch das Projekt ermöglicht wurden. Die Qualität von Kursen und Informationen wurde von über 90% der Teilnehmenden als gut oder grossartig eingestuft, aber auch die Themen wurden gezielt eingesetzt. Dabei entstanden beispielsweise Lösungen, wie die öffentliche Verwaltung beträchtliche Einsparungen vornehmen kann, indem sie anstelle der herkömmlichen Software, Open-Source-Software verwendet, um Gemeinde-Dienstleistungen zu entwerfen. Solche Herausforderungen können nur angegangen werden indem eine Plattform geschaffen wird, welche das Wissen der Bevölkerung und der öffentlichen Verwaltung vereint.
Dass die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft von äusserster Wichtigkeit ist, jedoch kaum stattfindet, kann unteranderem einer Studie, der Hertie School of Governance in Berlin, entnommen werden. Aber auch die Partizipation von Bürgern zählt zu einem Globalen Trend der Innovation in Regierungen und ist auch in der Schweiz immer häufiger zu finden. Die Stadt St. Gallen etwa, hat wiederholt auf die Partizipation von Bürgern gesetzt, so bei der Umgestaltung des Marktplatzes und der Neugestaltung des Gebiets Bahnhof Nord. Denn auch in der Schweiz sind die oben genannten Herausforderungen ein Thema. Die Beispiele aus Slowenien und Brasilien zeigen das Potenzial solcher Projekte. Es sollte auch in der Schweiz genutzt werden, um so den Schritt zur Innovation und zu neuen Methoden in der öffentlichen Verwaltung zu wagen.