Eine KI Applikation und eine fragengeleitete Anwendung zeigen, wie Innovation beim Staat fruchten kann. Sie entstanden im Rahmen des Innovation Fellowship Programms, begleitet vom staatslabor und dem Eidgenössischen Personalamt. Nach der erfolgreichen Pilotphase geht es ab März 2024 mit neun Fellows in die nächste Runde.
Künstliche Intelligenz durchdringt unseren Alltag. Sie kann etwa Texte schreiben oder Bewerbungen sortieren. Und das auch noch schneller als ein Mensch. Dies sorgt für Unbehagen. Doch wird KI gezielt eingesetzt, birgt sie Chancen. Gerade bei repetitiven Aufgaben kann KI entlasten und Abläufe optimieren. Die Schweizerische Nationalbibliothek (NB) etwa nutzt neu eine KI Anwendung, die genau das leistet. Entwickelt hat sie der Computerwissenschaftler Marcel Gygli während eines einjährigen Innovation Fellowships an der NB.
Konzipiert haben das Innovation Fellowship Programm das staatslabor und das Eidgenössische Personalamt (EPA) mit der Vision: Mehr Innovation in der Bundesverwaltung. Sie soll Innovation kollaborativer nutzen, Perspektiven aus der Privatwirtschaft und Wissenschaft integrieren. Schliesslich schafft die Innovationskraft der Bundesverwaltung auch einen Mehrwert für die Gesellschaft. Federführend beim EPA ist Simona Ingold, Spezialistin für personalpolitische Projekte. Das staatslabor ist aus ihrer Sicht die ideale Besetzung für die Begleitung dieses Programms. «Sie haben Erfahrung in der Innovationsförderung der öffentlichen Verwaltung, ein breites Netzwerk und Reichweite. Das alles ist sehr wertvoll,» sagt sie.
Marcel Gygli war einer von zwei Fellows in der Pilotphase, die im Juli 2022 begann und kürzlich endete. Sein Auftrag: Eine KI Anwendung für die NB zu entwickeln, die Texte liest und versteht. Der Sachverhalt: Die NB ordnet Publikationen der Schweiz hundert verschiedenen Sachgruppen zu. Teil davon sind Dissertationen. Gelegentlich erhält die NB diese aber ohne Angabe zur Sachgruppe. Dann muss sich jemand mit der Arbeit befassen, um sie einer Sachgruppe zuzuweisen. Und dort setzt Marcel Gyglis KI Anwendung an. «Die Applikation liest das Abstract der Dissertation und schlägt eine Sachgruppe vor,» erklärt Gygli. «Mitarbeitende können den Vorschlag prüfen, was sinnvoll ist, da solche Applikationen nie zu hundert Prozent treffsicher sind. Doch sie minimieren den Arbeitsaufwand, ohne menschliches Fachwissen zu ersetzen.» Die KI Anwendung ordnet Gygli zufolge im Monat zehn bis zwanzig Arbeiten einer Sachgruppe zu. Längerfristig will die NB dieses System auf alle wissenschaftlichen Publikationen ausweiten. Marcel Gyglis Projekt illustriert, wie Innovation beim Staat gehen kann. Und erfüllt somit das zentrale Anliegen des Fellowship Programms.
Die Fellows arbeiten zwölf Monate an einem Innovationsprojekt für eine Einheit der Bundesverwaltung. Das jeweilige Team und ein Mentor, eine Mentorin begleiten die Fellows. Für Marcel Gygli etwa war der Austausch mit dem Team wichtig, um alle an die Veränderungen heranzuführen. «Die KI Applikation entwickelte ich in enger Kooperation mit den Mitarbeitenden. Sie testeten den Prototypen, eruierten, was funktioniert und was nicht. So baute ich Vorbehalte um KI ab. Zeigte Chancen der Technologie auf,» sagt er. Vor seinem Fellowship forschte Marcel Gygli vier Jahre im Bereich KI an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Die Ausschreibung für das Fellowship sah er auf Twitter, die Idee packte ihn.
Teil des Fellowship Programms sind zudem Veranstaltungen, die auch den Austausch unter den Fellows und mit anderen Verwaltungseinheiten fördern. Nach der Halbzeit geben die Fellows etwa Einblick in den Stand ihrer Projekte, bei einem Abschlussvortrag präsentieren sie schliesslich ihre Ergebnisse. Marcel Gygli empfand es als Höhepunkt, dem damaligen Bundesrat Ueli Maurer von seiner Arbeit zu berichten.
Nebst der NB beteiligte sich an der Pilotphase auch das Staatssekretariat für Migration (SEM). Zuständig für Fragen zum Ausländer- und Asylrecht, erhält das SEM eine Vielzahl von Anfragen betreffend Niederlassung und Einbürgerung in der Schweiz. Ein Grossteil der Anfragen lässt sich leicht beantworten. Das SEM wollte die Selbstinformation so optimieren, dass sich der persönliche Kontakt auf ein Mindestmass reduziert. Fellow Philip Urech strukturierte hierzu erstens einen Teil der SEM-Website nach den häufig gestellten Fragen um. Zweitens entwickelte er für die Website eine fragengeleitete Anwendung. Will man etwa erfahren, ob man die Kriterien für die erleichterte Einbürgerung erfüllt, führen einen die eigenen Antworten Schritt für Schritt durch den Prozess, bis man am Ende beim relevanten Gesuchsformular landet.
Innovationen dieser Art sollen ab März 2024 neun Fellows in neun verschiedenen Verwaltungseinheiten umsetzen. Beteiligt sind am kommenden Innovation Fellowship Programm etwa die Bundeskanzlei (BK), das Bundesamt für Justiz (BJ) oder das Bundesamt für Strassen (ASTRA). Die Verwaltungen werden ein umzusetzendes Projekt einbringen, das thematisch um Datenwissenschaft, Maschinelles Lernen oder nutzerzentrierte Entwicklung kreist. «Die Projekte sind so unterschiedlich, dass wir die Ausschreibung bewusst nicht auf ein bestimmtes Profil ausrichten. Potenzielle Fellows sollen Innovationsfähigkeit und Ausdauer für den Entwicklungsprozess mitbringen,» sagt Simona Ingold vom EPA. «Gefordert ist auch, sich in die Strukturen der Bundesverwaltung hineinzudenken. Wir suchen Fellows, die sich für die Arbeit im politischen Umfeld begeistern,» sagt sie.
Laut Simona Ingold ist das Fellowship Programm von Bedeutung, weil sich so Innovationen umsetzen lassen, für die es in der Bundesverwaltung eine Aussensicht und ergänzende Kompetenzen braucht. «Ausserdem vernetzen sie intern. Erfährt etwa eine Verwaltung, dass sie mit einer ähnlichen Herausforderung wie das SEM konfrontiert ist, kann sie von den bereits erarbeiteten Lösungen profitieren,» sagt sie. Die NB und das SEM zeigen sich Simona Ingold zufolge sehr zufrieden mit den umgesetzten Innovationsprojekten der Pilotphase.
Den Fellows kann das Programm beruflich Türen öffnen. Marcel Gygli wurde für die neu geschaffene Professur für KI im öffentlichen Sektor an die Berner Fachhochschule berufen. «Meine KI Anwendung für die NB, meine Erfahrung und mein Netzwerk in der Bundesverwaltung waren entscheidend für diese Position,» sagt er. «Ich empfehle das Fellowship allen, die sich ein Jahr in ein Innovationsprojekt vertiefen möchten.»
Interessierst Du Dich für das Innovation Fellowship Programm? Alle Informationen dazu findest Du unter: www.innovationfellowship.ch.