Nicolas, ich habe eure Seite 2324.ch besucht. Kompliment, diese ist wirklich sehr ansprechend gestaltet! Ich habe meine Postleitzahl im dafür vorgesehenen Feld eingetragen und folgende Nachricht erhalten: "Sobald genügend Einwohner registriert sind, oder die Gemeinde mitmacht". Was genau muss passieren, bis ich auch lokale News lesen und selbst schreiben kann?
Danke für das Kompliment! Damit du in deinem Ort loslegen kannst, brauchen wir zunächst eine Vereinbarung mit der Gemeinde. Am besten registrierst du dich auf 2324.ch und überzeugst möglichst viele Bekannte in deinem Ort, dasselbe zu tun. Wenn wir sehen, dass euch die Idee des Online-Dorfplatzes anspricht, klopfen wir bei deiner Gemeinde an. Und wenn du den Gemeindepräsidenten oder sonst jemanden aus der Gemeindeverwaltung kennst, erzähl ihm von uns! Umso besser, wenn die Gemeinde auf uns zukommt.
Ist die Funktionsweise für eine Stadt wie Zürich und eine Gemeinde wie Stäfa die gleiche?
Die Applikation funktioniert prinzipiell für jeden Ort identisch. Zürich und Stäfa funktionieren jedoch als Gemeinde nicht gleich. Je grösser eine Gemeinde ist, desto mehr fokussieren wir auf kleinere Quartiere. Schliesslich wollen wir den Einwohnern ja zeigen, was vor ihrer Haustüre passiert.
Man spürt ein starkes Interesse an zwischenmenschlicher Nähe, an Nachbarschaft: arbeitet ihr gegen aktuelle Strömungen, oder mit ihnen? Oder ist es eine Mischung aus beidem?
Einerseits sind wir heute globalisierter denn je: Ich habe Freunde in Finnland und weiss über Trumps neuesten Tweet bestens Bescheid. Gleichzeitig hat das auch eine Entfremdung von unserer unmittelbaren Umgebung zur Folge. Dadurch gewinnen lokale Themen plötzlich wieder an Attraktivität; denken wir beispielsweise an den Trend zu Kleinbrauereien und einheimischer Küche. Was wir mit 2324.ch tun, geht in diese Richtung.
Was sind die bisherigen Feedbacks von Winterthur und Sargans, die zwei Städte die bereits aktiv mitmachen?
Die Seiten von Winterthur und Sargans leben ganz schön und die Nutzerzahlen wachsen durch Mund-zu-Mund-Propaganda stetig. Von Seiten Gemeindeverwaltung hören wir, dass sie ihren Aufwand als gering einschätzen, da Mitteilungen direkt von ihrer Website übernommen werden. Und Vereine schätzen es, dass sie besser auf ihre Aktivitäten aufmerksam machen können. Erstaunt hat uns, dass sich bis jetzt keine sogenannten Wutbürger zu Wort gemeldet haben. Wir haben mit mehr Kontroversen gerechnet, mussten aber bis jetzt kaum moderierend eingreifen. Ich gebe aber auch zu, dass wir uns noch mehr Interaktionen der Nutzer wünschten.
Du hast dich mit deinen Mitstreitern entschieden, eure Zeit und Energie in ein zivilgesellschaftliches Innovationsprojekt zu stecken, das sich an öffentliche Einrichtungen wendet. Was würdet ihr anderen sagen, die sich auch an solche Projekte machen möchten?
Ich denke, das Bewusstsein dafür, dass eine lebendige Demokratie nicht selbstverständlich ist, ist in der Schweiz teilweise nicht sehr ausgeprägt. Zivilgesellschaftliche Projekte gelten darum häufig bloss als nice to have. Wenn man sich in diesem Bereich engagieren möchte, muss man sich dessen Bewusst sein. Und: man verdient sicher nicht das schnelle Geld. Aber ich ermutige andere, unbedingt etwas auszuprobieren, was sie interessiert und ihnen Spass macht!
Was steht vor den Sommerferien noch an?
Vor allem wollen wir mit möglichst vielen Entscheidungsträgern in Gemeinden reden, um die Bedürfnisse von Gemeinden noch besser zu verstehen. Und wir möchten 2324.ch in allen Gemeinden der Schweiz bekannt machen. Dabei unterstützt uns der Schweizerische Gemeindeverband durch seine Partnerschaft mit uns. Und sicherlich auch das Netzwerk um das staatslabor!
Über Nicolas Hebting
Nicolas Hebting ist Co-Geschäftsführer von 2324.ch. Er hat an den Universitäten Zürich und Leiden, Niederlande, Rechtswissenschaften studiert und arbeitete als Gerichtsschreiber an einem Zürcher Gericht. Er engagiert sich in der Nachbarschaftshilfe und der Feuerwehr und singt in einem Chor.