Max, warum das staatslabor?
Die Schweiz hat das Glück, eine sehr dynamische Verwaltung zu kennen - auf allen Ebenen. In den Gemeinden werden viele neue Ansätze ausprobiert, die danach anderswo angewendet werden können. Die Kantone haben dies mit den Konkordaten sogar institutionalisiert. Der Bund hat ein gutes Sensorium für zukünftige Herausforderungen. Mit dem staatslabor arbeiten wir als Vernetzungsplattform und als Inputgeber auf der Schnittstelle zwischen der Verwaltung und Externen: NGOs, Hochschulen, Privatwirtschaft, Verwaltungen im Ausland und weiteren Akteuren, nicht zuletzt auch der Öffentlichkeit. Damit können wir unserer Verwaltung diejenigen Werkzeuge bieten, die sie in Zukunft braucht, um den Bürgerinnen und Bürgern die bestmögliche Organisation des Gemeinwesens zu bieten. Und wir bieten auch direkt einen Ort, an dem diese Instrumente diskutiert und ausprobiert werden können. Das alles natürlich in gutschweizerischer Tradition bottom-up.
Wo siehst du die grössten Herausforderungen für die Verwaltung in den nächsten 10 Jahren?
Sie muss viel schneller werden. Die technologischen Entwicklungen - und mit ihr gesellschaftliche Herausforderungen - treten heute sehr viel schneller auf die Bühne des Gemeinwesens als früher. Zwischen der Gründung von Uber in Silicon Valley 2009 und den ersten Parlamentsgeschäften diesbezüglich vergingen nur fünf Jahre. Und die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger sind in Zeiten, in denen Bankgeschäfte per Klick erledigt werden können, ganz andere. Die Verwaltung muss schnell, aber trotzdem sicher und zuverlässig arbeiten. Das kann sie nur, wenn sie die neuen Technologien selbst rasch in ihren Alltag integriert. Wenn sie das nicht in kürzester Zeit schafft, verliert sie das Vertrauen der Bevölkerung, aber auch der Unternehmen.
Welches innovative öffentliche Projekt aus dem Ausland sollte deiner Meinung nach auch in der Schweiz eingeführt werden?
Ich sehe zwei Projekte, die ich spannend fände. Das erste ist die Idee der Tech-Fellows: Leute aus dem Tech-Bereich (z.B. Informatiker, aber vielleicht auch Designer) machen eine Art “Stage” in der Exekutive, bei Stadt, Kanton oder Bund. Wichtig ist, dass sie auf strategischer Ebene eingesetzt werden, um dort eine neue Perspektive zu entwickeln. Sie müssen nicht die Informatikprobleme der Verwaltung lösen, sondern dank ihrer Erfahrung und ihrer Arbeitsweise neue Ansätze zur Bewältigung von Herausforderungen entwickeln. Da gibt es diverse gute Beispiele, gerade in den USA.
Das zweite Projekt ist gar nicht so ausländisch: Ich glaube, es ist zentral, dass wir demnächst einen digitalen Ausweis in der Schweiz haben. Den gibt es schon in Estland, in den Niederlanden und anderswo. Mit ihm kann ich online Behördengeschäfte erledigen, ich kann eine Firma gründen oder eine Bewilligung einholen. Es ist eigentlich etwas anachronistisch, dass es das heute noch nicht gibt.
Was war die beste Erfahrung, die du mit der öffentlichen Verwaltung gemacht hast? Und die schlechteste?
Meine schlechteste Erfahrung mit der Verwaltung habe ich gemacht, als ich mit einem Stipendium für ein Jahr ins Ausland ging - in drei verschiedene Länder für jeweils drei Monate und dazwischen war ich immer mal wieder hier, in Berlin, in Asien - das war irgendwie zuviel für die Behörden. Und es hätte mir natürlich beinahe richtig Ärger eingebracht, weil ich ebenfalls überhaupt nicht verstanden habe, was ich korrekterweise hätte tun sollen. Am Ende haben aber glücklicherweise alle betroffenen Amtsstellen grosszügigerweise diverse Augen zugedrückt - was wiederum ein sehr gutes Erlebnis war. Dieses Geschichte zeigte mir, dass sich heutige Lebensrealitäten kaum in bestehende Formulare füllen lassen. Aber digitale Formulare sind auch nicht die Lösung! Ziel muss sein, dass die Digitalisierung soviel automatisiert, dass Verwaltungsmitarbeitende am Schalter Zeit und Flexibilität für die wirklich schwierigen Fälle haben - dort wo’s draufankommt!
Was machst du, wenn du nicht staatslaborierst?
Neben der Arbeit beim staatslabor berate ich mit crstl Unternehmen und die öffentliche Hand im Umgang mit der Digitalisierung - oftmals im politischen oder gesellschaftlichen Bereich. Dazu kümmere ich mich im Vorstand des Think-Tanks foraus - Forum Aussenpolitik um strategische Fragen der Vereinsentwicklung und um die inhaltliche Ausrichtung. Dann engagiere ich mich als Verwaltungsrat der lässigsten Zeitung der Welt: tsüri.ch. Da kann man mitverfolgen, wie ziemlich junge, ziemlich coole Leute die Lokalzeitung der Zukunft entwerfen. Und dann gibts noch ein paar andere Projekte, die sind noch geheim, werden aber sehr spannend…
Schliesslich kenne ich in Zürich einige Leute, die guten Techno auflegen, und darum findet man mich am Wochenende gern im Ausgang.
Zürich, Bern, Khartoum?
Wenn ich wählen muss? Zürich! Sechs Monate Hochnebel, vier Monate Regen, zwei Monate dolce vita. Was will man mehr? Aber auf die Erfahrungen aus Orten, die nicht zu den beliebtesten Wohnsitzen zählen - Sudan, Irak, etc. - würde ich nicht verzichten wollen. Im Unterschied zu dem, was man an der Uni gelernt hat, vergisst man diese Erfahrungen nicht so schnell.
Was siehst du, wenn du aufstehst und aus dem Fenster schaust?
Meinen Nachbarn ins Wohnzimmer. Ich wohne im Zentrum von Zürich, in einem Blockrandbau aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die sind dicht zusammengebaut, und diese Dichte schätze ich sehr an der Stadt. Es ist mir ein Rätsel, warum man heute nicht mehr so baut (obwohl die Wohnungen darin super beliebt sind). Stattdessen hat’s heute überall noch ein bisschen Gebüsch um die Häuser und keiner weiss wieso. Spielen ist darin bestimmt verboten.