Nicola, warum das staatslabor?
Ich finde es absurd, dass wir in der Schweiz stolz darauf sind, Innovationsweltmeister zu sein – und darunter immer nur technologische Innovation verstehen. Soziale und politische Innovation fristet in der Schweiz ein Schattendasein. Das wollen wir dringend ändern, und haben deshalb entschieden, das staatslabor zu gründen! Wir wollen damit neue Methoden und Technologien auch für den öffentlichen Sektor zugänglich machen und die bestehenden Akteure vernetzen. Kreative Köpfe in der Verwaltung und Politik, Tech-Nerds und Startup-Unternehmerinnen sowie Akteure der Zivilgesellschaft haben mit dem staatslabor eine spannende Plattform, um voneinander zu lernen, sich auszutauschen und so gemeinsam an einem Ökosystem für Innovation im öffentlichen Sektor zu bauen!
Wo siehst du die grössten Herausforderungen für die Verwaltung in den nächsten 10 Jahren?
Der technische Wandel wird extrem sein und unsere Gesellschaft fundamental verändern. Einige der heute grössten Unternehmen weltweit waren vor nur 10 Jahren noch kleine Startups. Die Digitalisierung verschiebt die Macht rasend schnell von klassischen, grossen Institutionen auf dezentral organisierte Netzwerke, die innovativ zusammenarbeiten. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Verwaltung von diesem Umbruch ausgenommen ist. Um auch weiterhin nützliche Dienstleistungen für die Bürgerin anbieten zu können, muss sie diesen Wandel mitgehen. Dazu braucht es Kenntnisse der neuesten Technologien und Methoden – aber nicht nur! Früher setzte man Expertengruppen ein, welche während monatelanger Arbeit „den Plan“ entwarfen, der dann angewandt wurde. Heute kann der Werkzeugkasten der Verwaltung aber ergänzt werden durch neue Tools: Partizipative Design Thinking-Formate ermöglichen engagierten BürgerInnen in die Arbeit des Staates zu involvieren und bürgernahe Lösungen zu testen, die dann bei ihrer Einführung auch tatsächlich funktionieren.
Welches innovative öffentliche Projekt aus dem Ausland sollte deiner Meinung nach auch in der Schweiz eingeführt werden?
Vor drei Jahren hatte ich die einmalige Gelegenheit, für das Deutsche Auswärtige Amt am Projekt „Review 2014“ mitzuarbeiten. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte dieses Projekt gestartet, um die Arbeit des Auswärtigen Amtes inhaltlich und strukturell zu überprüfen. In zahlreichen partizipativen Workshops haben wir, gemeinsam mit interessierten Bürgern und wichtigen Stakeholdern, neue Ideen zu den grossen Herausforderungen der Diplomatie entwickelt - unter anderem im Format von Open Situation Rooms, die wir dafür kreiert haben. Eine Adaption für den Schweizer Kontext würde mich sehr reizen!
Was war die beste Erfahrung, die du mit der öffentlichen Verwaltung gemacht hast? Und die schlechteste?
Eine beeindruckende Erfahrung war, als ich vor ein paar Jahren einen neuen Pass brauchte. Ich konnte online einen Termin festlegen, bin dort hin, war innert zehn Sekunden am richtigen Ort, konnte in ein paar Minuten alles erledigen und war nach fünf Minuten wieder aus dem Passbüro raus. Den Pass und die neue Identitätskarte habe ich danach nach Hause geliefert bekommen. Alles war top durchorganisiert und super kundenfreundlich. Wow! Ich lebte und arbeitete in dieser Zeit in verschiedenen Ländern wie Äthiopien, Deutschland und Belgien und habe im direkten Vergleich gemerkt, dass die Schweizer Verwaltung wirklich tolle Dienstleistungen anbietet.
Meine schlechteste Erfahrung war wohl in meinem Erasmusjahr in Frankreich. Ich wollte eine Wohnung mieten, benötigte dafür aber ein Bankkonto. Dieses hätte ich allerdings nur bekommen, wenn ich eine Elektrizitätsrechnung vom staatlichen Elektrizitätsversorger meiner letzten Wohnung hätte vorweisen können, welche ich natürlich nicht besass, weil ich ja noch keine Wohnung hatte. Die Katze biss sich in den Schwanz, und ich war total vom Goodwill einzelner Personen abhängig, welche dich komplett in der Hand hatten. Pure Willkür.
Was machst du, wenn du nicht staatslaborierst?
Ich trage ziemlich viele Hüte und verliere manchmal etwas die Übersicht (lacht). Als Gründer und Präsident von foraus, dem Think Tank für Aussenpolitik, hatte ich in den letzten Jahren die einmalige Chance ein Start-up aufzubauen. Zurzeit lancieren wir Schwester Think Tanks in Deutschland (Polis 180), Frankreich (Argo) oder Grossbritannien. Persönlich bin ich gerade in New York, um dort einen partizipativen Think Tank aufzubauen und die digitale Zusammenarbeit von klugen Köpfen in den diversen foraus-Ländern zu konzipieren. Daneben bin ich Partner bei crstl, wo wir für Stiftungen, Wirtschaft und Politik Innovationsberatung anbieten. Ich mache ausserdem viele Moderationen im In- und Ausland.
Bern, Montpellier, New York?
Ich habe die letzten zwei Jahre in Bern gelebt, und enorm davon profitiert: Man ist nahe an der Politik und Verwaltung. Es ist einfach und unkompliziert, sich mit den relevanten Akteuren auf einen Kaffee zu treffen. Die Stärken des innovativen Kleinstaates Schweiz sind sehr exemplarisch in Bern vorhanden! Gleichzeitig fehlt manchmal die globale Ausrichtung und Dynamik, welche New York natürlich hat. Die Möglichkeiten dort sind enorm, und das Umfeld wirklich sehr inspirierend für mich! Allerdings fällt die Orientierung inmitten all dieser interessanten Projekte und spannenden Leuten manchmal schwer. Eine Mischung der Stärken von Bern und New York fände ich toll. Eine Stadt wie Berlin mit einem grossstädtischen Flair und globaler Relevanz, die aber auch viele schöne Ecken und gemütliche Kneipen hat. Seit ich dort gelebt habe, ist Berlin schon ein bisschen meine Wahlheimat geworden…
Was siehst du, wenn du aufstehst und aus dem Fenster schaust?
Das kommt ganz darauf an, wo ich aufstehe (lacht). Es ist fast ein bisschen klischeehaft: In Zürich schaue ich ins Grüne, und die Vögel zwitschern. In New York lebe ich in Brooklyn und geniesse dort das urbane und schnelllebige Leben. Beides ist toll!