Lieber Alexander, im Oktober 2016, vor einem Jahr also, habt ihr unter dem Slogan „innover autrement“ (= Innovation anders) offiziell den Startschuss für das Genève Lab gegeben. Warum habt ihr euch für dieses Motto für den Start dieser neuen Einrichtung entschieden?
Das Genève Lab wurde am 11. Oktober des vergangenen Jahres als Nachfolger des „Observatoire technologique“ (OT, = technologische Beobachtungsstelle) gestartet. Innovationsprojekte werden natürlich in allen Abteilungen der Verwaltung durchgeführt. Dieses Motto soll den Mehrwert, den das Team des Genève Labs seinen „Kunden“, den Projektträgern der Kantonsverwaltung, bei der Begleitung derer digitalen Innovationsprojekte liefert, wiedergeben. Dafür beruft sich das Genève Lab auf die „Living Lab“-Kultur, also einen interdisziplinären Ansatz, der auf Versuchen beruht und den Nutzer in den Mittelpunkt stellt. Übrigens ist das Genève Lab seit Kurzem Mitglied im europäischen „Living Lab“-Netzwerk, "ENoLL"
Somit ist aus einer „Beobachtungsstelle“ ein „Lab“ geworden – ein Zeichen für einen praktischeren Ansatz? Was waren die entscheidenden Faktoren für solch einen Wandel?
Die technologische Beobachtungsstelle hat für die Kantonsverwaltung über zwanzig Jahre lang beeindruckende Arbeit in puncto Überwachung und Zukunftsforschung geleistet. Es war an der Zeit, dieses um Begleitung in den Erkundungs- und Experimentierungsphasen für digitale Innovationsprojekte zu ergänzen. Wie du erkannt hast, geht es darum, direkter bei der Unterstützung von Projekten beteiligt zu sein, wie bei der Begleitung von Experimenten zur Blockchain vor Kurzem. Diese Wandlung ist Teil der am 25. Mai 2016 vom Staatsrat verabschiedeten Strategie für Informations- und Kommunikationssysteme. Sie entspricht dem Wunsch, eine digitale Politik für Genf auszuarbeiten.
Kannst du uns mehr über diese Experimente zur Blockchain erzählen? Welche Rolle wird diese Technologie deines Erachtens für öffentliche Körperschaften spielen?
Die Blockchain kann erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft und den öffentlichen Bereich haben, wie die Kryptowährungen (Bitcoin, Ether usw.) es bereits zeigen, und so beobachtet unser Team dieses Thema genau. Das Genève Lab betreibt dazu Beobachtungs- und Forschungsarbeit, wie vor Kurzem von meinem Kollegen Vincent Pignon im Rahmen eines „digitalen Café de la République“ zu diesem Thema präsentiert. Auf Initiative von Staatsrat Pierre Maudet hin wurden Versuche für das Handelsregister durchgeführt mit dem Ziel, elektronische Urkunden auszufertigen, wie das in einer Verordnung zu diesem Thema, die am 1. Januar 2018 in Kraft tritt, gefordert wird. Dieses Projekt hat übrigens auch Innovationsfinanzierung von E-Government Schweiz erhalten. Darüber hinaus sind noch viele weitere Verwendungszwecke identifiziert wurden. Im Rahmen unserer Teilnahme an digitalswitzerland machen wir auch bei der Blockchain-Challenge mit, die es zum Ziel hat, innerhalb von 24 Stunden ein Unternehmen zu gründen.
Du hast das „digitale Café de la République“ angesprochen. Kannst du uns etwas mehr über die verschiedenen Formate, die ihr anbietet, sowie ein paar Projekte, die im ersten Jahr stattgefunden haben oder vielleicht noch laufen, erzählen?
Die Organisation von Veranstaltungen ist ein elementarer Bestandteil der Arbeit unseres Labs. Wir haben verschiedene Formate, die sich an verschiedene Zielgruppen richten. Das „digitale Café de la République“ ermöglicht es uns, Mitarbeitern im öffentlichen Bereich Genfs während der Mittagspause eine Technologie und deren Einfluss auf unsere Verwaltung vorzustellen. Im Anschluss folgt eine Diskussion, um Handlungsmöglichkeiten auszuarbeiten. Das Genève Lab Meetup steht allen Interessierten offen – auch deine Leser und Leserinnen sind dazu herzlich eingeladen. Es geht dort über Innovation im öffentlichen Bereich. Wir organisieren auch eine jährliches Treffen, bei dem es dieses Jahr, und zwar am 14. November, um das Thema „Ethik im digitalen Bereich" geht. Darüber hinaus bieten wir im Rahmen der staatlichen internen Weiterbildungsaktivitäten beispielsweise Einführungen in Design Thinking an. Dann will ich noch die Donnerstagsgespräche erwähnen, die jeden Monat von meinem Kollegen Patrick Genoud organisiert werden. Auch dieses Format steht allen offen und behandelt die Risiken des digitalen Bereichs aus gesellschaftlicher Perspektive. Was Projekte angeht, werde ich dir über die vorhin angesprochenen hinaus drei weitere Beispiele geben. So wurden wir erstens von der kantonalen Steuerverwaltung beauftragt, ein besseres Verständnis der Wahrnehmungen und Bedürfnisse von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren in Bezug auf Steuern zu schaffen. Zweitens haben wir ein Mandat vom Amt für Berufsberatung, Berufs- und Weiterbildung (OFPC) des Kantons erhalten, um mit Unternehmen und Berufsverbänden zu erörtern, wie dieses Amt besser auf deren Bedürfnisse und Erwartungen eingehen kann. Drittens unterstützt das Genève Lab die kantonale Verwaltung bei der Ausarbeitung seiner Digitalpolitik – eine Politik, die es ermöglichen muss, den digitalen Wandel in Genf zu berücksichtigen und zu begleiten. Auf unserem Blog bemühen wir uns, alle unsere Aktivitäten in diesen verschiedenen Feldern zu dokumentieren.
Am 11. Oktober 2020 wird das Genève Lab 4 Jahre alt. Wie stellst du dir den Beitrag vor, den es bis dahin für das Genfer Ökosystem geleistet hat?
Im besten Fall würden unsere Methoden dann in der gesamten kantonalen Verwaltung angewendet werden. Wir sind Förderer und Begleiter dieses digitalen Wandels, der momentan stattfindet, sowie der über die ganze Kantonsverwaltung hinweg durchgeführten Projekte im Dienste der Bürger und der Unternehmen. Im Sinne der Vierfachhelix der Living Labs wäre das vom Genève Lab im Jahre 2020 unterstütze Projekt das folgende: die Zivilgesellschaft, der akademische Bereich und die Wirtschaft arbeiten mit dem öffentlichen Bereich Genfs zusammen um gemeinsam die Herausforderungen, vor denen Genf steht, besser meistern zu können.
Für weitere Informationen
Webseite: lab.ge.ch
Kontakt: geneve.lab@etat.ge.ch
Facebook: Geneve.Lab
Twitter: GE_Lab
Instagram: ge.lab
Alexander Barclay ist Mitglied des Genève Lab (Kanton Genf). Er führt darüber hinaus an der Universität St. Gallen doktorale Forschungsarbeit durch und ist Dozent an der Sciences Po in Paris.
Auf dem Foto: Das Team des Genève Labs, von links nach rechts: Patrick Genoud, Christopher Larraz, Christine Aidonidis, Gianfranco Moi, Vincent Pignon, Alexander Barclay (Foto: Katja Rupp, DGSI)