Das staatslabor lud im November 2023 zum zweiten staatsdinner, diesmal mit Thomas Zurbuchen, bis vor kurzem NASA-Wissenschaftsdirektor. Seine Botschaft an die öffentliche Verwaltung: Für Innovationen braucht es ein motiviertes Team.
Das staatslabor empfing an diesem Abend zwölf Spitzenkader von Bund und Kantonen, um über die Zukunft der öffentlichen Verwaltung zu diskutieren. Im Zentrum dieses zweiten staatsdinners stand das Vertrauen in die eigenen Mitarbeitenden. Verwaltungen stellen sich den Herausforderungen dann am besten, so die These, wenn auch die Mitarbeitenden ihr Potenzial freisetzen können. Nach einer Einführung in das Menü des Abends durch den aufstrebenden Zürcher Spitzenkoch Luca Frei eröffnete Thomas Zurbuchen, in der Mitte der langen Tafel sitzend, mit seinen Reflexionen den Abend. Der 55-jährige Schweizer und Astrophysiker war von 2016 bis Ende 2022 Wissenschaftsdirektor der NASA, einem staatlichen Betrieb, welcher nur dank ambitionierter Vision, technologischen Innovationen am Rande des Machbaren und kalkulierter Risikobereitschaft erfolgreich ist.
«Die besten Ideen kommen aus dem Team»
Um die besten Leute mit den besten Ideen zu haben, gilt es laut Thomas Zurbuchen, eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. «Achtzig Prozent meiner besten Ideen sind in Tat und Wahrheit in Diskussionen mit dem Team entstanden», betonte er. Und um möglichst viele Perspektiven einer Frage zu beleuchten, bewähre sich ein gemischtes Team mit unterschiedlichen Erfahrungen und Ausbildungen. «Meine Aufgabe als Führungsperson ist es, diese Offenheit für neue Ideen zu kultivieren und Vorbild zu sein.» Wichtig dabei sei, auch introvertierten Personen im Team Raum zu geben und sich zu fragen, welche Stimmen und Perspektiven fehlen. Diese Positionen suche er sich bei Bedarf ausserhalb des Teams.
Einen freien Blick auf den Sternenhimmel hatte Thomas Zurbuchen schon in seiner Kindheit in Heiligenschwendi am Thunersee. Sein erstes Buch zum Weltall las er mit acht, und mit 28 Jahren doktorierte er 1996 an der Uni Bern in Astrophysik. Seine Karriere als Raumforscher «Dr. Z» setzte er in den USA an der University of Michigan fort, wurde dort 2008 Professor und baute das Michigan Center for Entrepreneurship auf, ein prämiertes Programm für Unternehmertum. 2016 ernannte ihn die NASA zum Wissenschaftsdirektor. Hier blieb er bis Ende 2022, leitete knapp hundert Missionen, darunter das James-Webb-Teleskop, mehrere Mars-Missionen und die Ablenkung eines Asteroiden. Er verantwortete ein Jahresbudget von 8 Milliarden Dollar.
«Zu Fehlern soll man stehen können»
In seinem zehnminütigen Impulsreferat gab Thomas Zurbuchen den Gästen aus Bundesämtern und Stabsstellen sechs Tipps zur Teammotivation: Eine Führungsperson solle sich Zeit nehmen, ihrem Team aktiv zuzuhören. Sie müsse Probleme antizipieren und «Elefanten im Raum» offen ansprechen. Führungskräfte sollen eigene Fehler eingestehen, aber auch Fehler der Mitarbeitenden tolerieren. «Wichtig ist, dass man es beim nächsten Mal besser macht.» Vor grossen Entscheidungen räumt Zurbuchen seinem Team 24 Stunden Zeit ein, Ideen, Anregungen und Einwände anzubringen. Und last but not least sollten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden jederzeit darin unterstützen, Herausforderungen anzunehmen und ihr Potenzial so weit wie möglich freizusetzen.
Zurbuchens Impulse und Erfahrungen sorgten für angeregte Diskussionen und Gespräche an diesem staatsdinner an der Bundesgasse 16, welches erst spät endete. Mit Blick durch die Fenster des staatslabors auf das Bundeshaus teilten die Spitzenkader ihre eigenen Führungserfahrungen und fragten Thomas Zurbuchen nach seiner Sicht auf ihre Herausforderungen.
Visionen für eine bessere Positionierung der Schweiz
Ende 2022 hat Thomas Zurbuchen die NASA verlassen und sich seither vermehrt seiner alten Heimat zugewandt. Seit August 2023 leitet er – vorerst für drei Jahre – die ETH Zürich Space. Wie zuvor in Michigan plant er auch hier, Forschung und Unternehmertum einander näherzubringen. Die Raumfahrt solle nicht China und den USA überlassen werden, in der europäischen und schweizerischen Technologie sieht Zurbuchen grosses Potenzial. Als «Immigrant», wie er sich selbst bezeichnet, hat Zurbuchen nach über 25 Jahren in den USA freilich auch einen Aussenblick auf die Schweiz. Am staatsdinner liess er durchblicken, dass sich die Schweiz in seinen Augen zu selten die strategischen Fragen stellt: «Wie positionieren wir uns als Land global erfolgreich?» Und: «Welche Fähigkeiten zeichnen unser Land aus?» Die Schweiz habe als kleines Land mit einer starken Wirtschaft und Top-Universitäten global viel zu bieten, insbesondere im Bereich Innovation.
Das staatsdinner wurde grosszügig von SAP unterstützt.