Seit dem Digitaltag 2019 veröffentlichen wir unsere Fragenserie zu den Digital- und E-Government-Strategien in allen Kantonen der Schweiz. Jeden Tag präsentieren wir so den Fortschritt und die Chancen sowie Herausforderungen in einem Kanton. Heute: Glarus!
Unser Interviewpartner: Hansjörg Dürst, Ratsschreiber in der Staatskanzlei Glarus.
1. Was war die Motivation hinter der kantonalen Digitalisierungsstrategie? Auf welche Bedürfnisse und Herausforderungen im Kanton und den Gemeinden antwortet die Strategie?
[Hansjörg Dürst: ] Wir sind in diesem Jahr an der Erarbeitung einer Digital-Strategie. Wir haben die Kernherausforderungen in den nächsten Jahren ausformuliert und im Politischen Entwicklungsplan 2020 -2030 festgehalten. Im politischen Entwicklungsplan hat es mehrere Handlungsfelder, an denen man erkennt, dass Digitalisierung ein Schwerpunktthema sein wird. Diesen Plan haben wir in die Legislaturplanung 2019-22 heruntergebrochen. In der Legislaturplanung haben wir deutlich gemacht, dass wir eine umfassende Digitalstrategie für den ganzen Kanton brauchen. Denn sonst arbeiten immer Departemente und verschiedene Stellen an der digitalen Entwicklung, aber nur aus ihrem Blickwinkel und nicht koordiniert. Wir wollen eine umfassende Strategie, die unter anderem, aber nicht nur, E-Government abdeckt.
Beispielsweise im Bereich Bildung: wir wollen unsere Lernenden fit für Digitalisierungsfragen machen. Zudem werden wir uns auch mit speziellen Herausforderungen des Kanton Glarus befassen, wie beispielsweise den 25% ungelernten Menschen in der Wirtschaft – wie können wir diese Menschen so fördern, dass sie die Herausforderungen der Digitalisierung in der Arbeitswelt meistern können?
2. Welches waren die Inspirationsquellen für die Ausarbeitung? Andere Städte, Kantone, Länder? Die nationale Strategie?
[Hansjörg Dürst: ] Es gibt Grundlagen, die sehr gut sind. Das sind sicher die E-Gov. Strategie des Bundes, die Digitalstrategie des Bundes und auch die jüngste Strategie der KdK, die wir sicher berücksichtigen müssen. Klar ist, dass wir als kleiner Kanton die Digitalisierung nicht neu erfinden müssen. Die Idee ist, dass man die Bereiche besonders fördert, in denen wir denken, dass noch zu wenig läuft. Wir können nicht überall Vorreiter sein, aber sicher in gewissen Projekten. Ein Beispiel ist die Gemeindestrukturreform. Da haben wir erreicht, dass man alle Gemeinden auf die gleiche Plattform gebracht hat.
Ein zweites Beispiel für ein Projekt (der technischen Betriebe der Gemeinden) ist der Aufbau des schnellen Datennetz, also Glasfaserkabel, bei uns im Kanton. Im Zusammenhang mit der Gemeindestrukturreform haben wir auch gesagt, dass Gemeinden jetzt “Gleiches gleich tun” sollten. Das hatte zur Folge, dass nicht jede Gemeinde ihre eigene Informatiklösung aufbauen musste. Dies soll auch eine Inspiration für weitere Projekte auf Kantonsebene sein.
3. Welche Akteure waren an der Erarbeitung der Strategie beteiligt?
[Hansjörg Dürst: ] Wir haben ein Kernteam mit Beteiligung von Christian Dolf und Dario Chiozza, externe Berater der Firma CSP. Dann gibt es ein Projektteam: Mit Patrick Geissmann (Leiter Höheres Schulwesen/Bildung); Pierre Rohr (Leiter IT Kanton); Heinz Martinelli (Leiter Wirtschaft und Arbeit); Christian Zehnder (Leiter Standortpromotion Kanton); Michael Schüepp (Ratssekretär); Martin Jenny (Archivinformatiker); Jürg Feldmann (Militär und Zivilschutz). Das zeigt, es sind alle Bereiche dabei: Informatik, Staatskanzlei, Bildung, Wirtschaft und Sicherheit und Justiz. Das Projektteam macht gemeinsam mit der Projektleitung Vorschläge.
Zusätzlich haben wir ein Soundingboard. Dort hat es 25-30 Vertreter des Kantons, der Gemeinden, der Wirtschaft, aus staatsnahen Betrieben, der Kantonalbank, und des Kantonsspitals, der Jugend. Jetzt ziehen wir noch einen externen Spielverderber in der Person von Peter Grünenfelder von Avenir Suisse bei.
4. Es gibt Kantone, die bei ihrer Strategie einen eher weiten Bezugsrahmen wählen, z.B. die Digitalisierung in der Gesellschaft. Andere beziehen die Strategie enger z.B. auf die IT der Verwaltung. Welchen Bezugsrahmen hat Ihre Strategie - und welche Gründe gibt es für den gewählten Bezugsrahmen?
[Hansjörg Dürst: ] Wir haben einen eher grösseren Bezugsrahmen gewählt. Hierzu gab es allerdings eine starke interne Diskussion, denn zuerst wollten wir das Projekt auf die Verwaltung beschränken. Ich habe mich dann dafür eingesetzt, dass wir Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung mit einbeziehen.
Wichtig ist die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Bildung: Optimierung von Prozessen mit digitaler Unterstützung oder die Schaffung zukunftsfähiger Rahmenbedingungen in IT Strukturen und Architektur. Das betrifft den Kanton und die Gemeinde zugleich. Ausserdem geht es auch um die Ausbildung von Mitarbeitern, um sie zur erfolgreichen Nutzung des digitalen Wandels zu befähigen und auszubilden, und um die Vermarktung der digitalen Positionierung in den Tiefen des Kantons.
Über allem steht immer die Orientierung an den Bürger- und Kundenbedürfnissen. Dazu haben wir ein gutes Beispiel: Wir haben ein wunderbares Wald-App gemacht für den Kanton. Damit können sie durch den Wald laufen und dann beschreibt das App welche Bäume sie sehen. Das App hat 66’000 Franken gekostet, wird aber kaum genutzt.
5. Welches laufende Projekt in Ihrem Kanton ist Ihrer Meinung nach ein gutes Beispiel für die Stossrichtung der Strategie?
[Hansjörg Dürst: ] Ein Beispiel aus der Verwaltung ist GEVER, also die digitale Geschäftsverwaltung. Wir haben dies 2007 für die kantonale Verwaltung als Standardlösung eingeführt und dann über alle Kantonsebenen ausgebreitet. Die Gemeinden haben nun via „Glarus Hoch3“ dies ebenfalls in den Gemeindeverwaltungen eingeführt oder stehen kurz davor. Dies ermöglicht künftig eine medienbruchfreie Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden.
6. Welche Herausforderung gibt es ganz konkret in der Praxis, mit denen Sie und Ihre Einheit bei der Umsetzung der Strategie konfrontiert sind?
[Hansjörg Dürst: ] In unserem Kanton mit 40000 Einwohnern ist eine gemeinsame IT mit den Organisationen von Kanton und Gemeinden wichtig. (wie beispielsweise in Obwalden und Nidwalden). Ausserdem müssen wir prioritär die Bereiche digitalisieren, die wirklich wichtig sind. Die Steuererklärung und die elektronische ID sind zwei Beispiele hierfür mit grosser Priorität.
Wichtig ist, dass, wenn man digitalisiert, auch Prozesse anschaut. Wenn sie einen schlechten analogen Prozess digitalisieren, haben sie danach einfach einen schlechten digitalen Prozess. Es ist ja oftmals das Problem der Informatiklösungen, dass der Fokus auf Technik-Orientierung gelegt wird und nicht auf Anwender-Orientierung. Meiner Meinung nach ist die grösste Herausforderung, dass wir alle mitnehmen können. Wir sehen das schon in der Verwaltung: dort kommen immer wieder neue Programme und wir müssen unser Personal neu schulen. Die Einführung des Geschäftsverwaltungssystems hat beispielsweise bis zur Umsetzung enorm viele Kräfte gebunden. Da sind wir auch 10 Jahre dran. Ebenso der Aufbau eines Public Newsroom im Kanton Glarus- das hat einen enormen Schulungsaufwand gebraucht.
7. Wenn Sie das entscheiden könnten: Gibt es Formen und Gefässe für den Austausch mit anderen Kantonen oder Ländern, die Sie lancieren würden, um von den Erfahrungen der anderen besser profitieren zu können?
[Hansjörg Dürst: ] Da gibt es ja bereits einiges, wie beispielsweise das gemeinsame Gremium des Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) mit den Kantonen. Zusätzlich gibt es die SIK auf operativer Ebene, jetzt neu hinzugekommen die KdK und natürlich alle Standardisierungsgruppen. Der Verein E-CH Standards ist sehr wichtig für das gegenseitige Verständnis dieser Programme. Wir haben bewusst jemand Externen beigezogen, der Fachwissen aus anderen Kantone mitbringt.
Wir bedanken uns für die Beantwortung unserer Fragen und wünschen weiterhin viel Erfolg bei den Digitalisierungsbemühungen im Kanton!