Digitalisierung im Kanton St. Gallen - Unsere sieben Fragen an Ivo Toman, Leiter eGovernment St.Gallen digital

Kantonswappen St. Gallen vor grünem Umriss der Schweiz

Seit dem Digitaltag 2019 veröffentlichen wir unsere Fragenserie zu den Digital- und E-Government-Strategien in allen Kantonen der Schweiz. Jeden Tag präsentieren wir so den Fortschritt und die Chancen sowie Herausforderungen in einem Kanton. Heute: St. Gallen!

Unser Interviewpartner: Ivo Toman, Leiter der Geschäftsstelle eGovernment St. Gallen digital

1. Was war die Motivation hinter der kantonalen Digitalisierungsstrategie? Auf welche Bedürfnisse und Herausforderungen im Kanton und den Gemeinden antwortet die Strategie?

[Ivo Toman: ] Der Kanton St Gallen und die St. Galler Gemeinden haben 2018 ihre E-Government-Strategie überarbeitet. Schon sehr lange gibt es im Themenbereich Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen Kanton und allen Gemeinden. Um eine höhere Verbindlichkeit zu erreichen, wurde das Gesetz über E-Government und schliesslich die E-Government Strategie verabschiedet. Die Dreiteilung Government-Government, Government-Citizen und Government-Business wurde so institutionalisiert. Zudem ist es wichtig, dass man die Aussensicht von BürgerInnen und Unternehmen auf die Verwaltungsangebote stärker verankern konnte.

2. Welches waren die Inspirationsquellen für die Ausarbeitung? Andere Städte, Kantone, Länder? Die nationale Strategie?

[Ivo Toman: ] Man schaut immer etwas von anderen ab. Die Vision ist von eGovernment Schweiz abgeleitet. Auch die Tallinn-Prinzipien spielten eine Rolle. Umgekehrt glaube ich, dass wir mit unserem Gesetz und der Strategie für die Schweiz neue Ansätze in Sachen Zusammenarbeit und Standardisierung Kanton-Gemeinden aufsetzen konnten, bei denen dann auch der Bund aufgesprungen ist.

3. Welche Akteure waren an der Erarbeitung der Strategie beteiligt?

[Ivo Toman: ] Das Projektteam bestand aus Vertretern von Kanton und Gemeinden (Strategie, Seite 16). Das Miteinander war dabei extrem wichtig: Kantone und Gemeinde sind nicht zwei Ebenen, sondern müssen auf einer Ebene zusammenarbeiten.

4. Es gibt Kantone, die bei ihrer Strategie einen eher weiten Bezugsrahmen wählen, z.B. die Digitalisierung in der Gesellschaft. Andere beziehen die Strategie enger z.B. auf die IT der Verwaltung. Welchen Bezugsrahmen hat Ihre Strategie - und welche Gründe gibt es für den gewählten Bezugsrahmen?

[Ivo Toman: ] Das ist klar: Die E-Government Strategie ist in diesem Sinne eher eng definiert. Die Digitalisierung der Gesellschaft ist nicht Bestandteil. Wir kennen die weiter ausgerichteten Strategien auch und überlegen uns, ob man Themen wie Bildung und Infrastrukturen neben dem Verwaltungs-Kerngeschäft auch berücksichtigen sollte.

5. Welches laufende Projekt in Ihrem Kanton ist Ihrer Meinung nach ein gutes Beispiel für die Stossrichtung der Strategie?

[Ivo Toman: ] Unser “strategischstes” Projekt ist das ePortal (https://eportal..sg.ch), eine datenzentrierte statt geschäftsfallzentrierte Umgebung. Wenn ich mich einlogge, sind alle Daten bereits da. Der Staat mit seinen ganz unterschiedlichen Diensten ist ein Gemischtwarenladen. Dies erschwert die Anbindung an ein einheitliches userzentriertes Portal. Ähnliche Herausforderungen resp. denselben Wandel haben die Banken vor ca. 15 Jahren durchgemacht. Backend-Applikationen zu öffnen und an die Daten heranzukommen ist herausfordernd. Dafür sind auch die Gesetze sicher teilweise nicht so weit, und es ist eine organisatorisch-mentale Veränderung nötig, wenn plötzlich nachvollziehbar ist, was wo liegt und die Kundenperspektive im Zentrum steht.

6. Welche Herausforderung gibt es ganz konkret in der Praxis, mit denen Sie und Ihre Einheit bei der Umsetzung der Strategie konfrontiert sind?

[Ivo Toman: ] Es fehlt in der Schweiz ein übergeordneter verbindlicher Rahmen. Man diskutiert seit Jahren über die E-ID oder einen eindeutigen Personenidentifikator. Dies sind Voraussetzung für ein erfolgreiches E-Government mit Kundenperspektive. Wenn wir diese Herausforderungen gemeistert haben, sind wir noch lange nicht so weit, dass ich z.B. mit meiner E-ID all meine Daten idealerweise kantonsübergreifend einsehen und bearbeiten kann. Dazu benötigt es ein «einheitliches» Zugriffsmanagement.

Juristisch und gesetzestechnisch ist noch einiges nötig. Fagen wie «Muss ich wirklich unterschreiben, wenn ich etwas elektronisch einreiche und ich mich vorher «eindeutig» angemeldet habe z.B. die Steuererklärung? » Oder ist die Willensäusserung implizit gegeben, wenn ich auf «einreichen» drücke? Im E-Banking braucht ja auch nicht jede Transaktion eine Unterschrift, und da sprechen wir teilweise von weit grösserer Tragweite.

Schliesslich die Frage der Verwaltung von analogen Kanälen: Man darf ja die Papiervariante wegen der Gleichbehandlung nicht abschalten. Man muss Nutzer mit Anreizen zum Umsteigen bewegen, z.B. den Papierkanal aufgrund des höheren administrativen Aufwandes «Gebührenmässig» verteuern.

7. Wenn Sie das entscheiden könnten: Gibt es Formen und Gefässe für den Austausch mit anderen Kantonen oder Ländern, die Sie lancieren würden, um von den Erfahrungen der anderen besser profitieren zu können?

[Ivo Toman: ] Die gibt es zwischen Verwaltungen schon: Die E-Government Verantwortlichen der Kantone tauschen sich mit eGovernment Schweiz und dem Bund regelmässig aus. Das Problem ist eher, dass die existierenden Gefässe nicht genügend wahrgenommen und genutzt werden resp. keine "Verbindlichkeit" haben (Föderalismus). Ich denke auch, dass der Austausch sehr spezifisch sein muss, zu konkreten Problemen, die andere auch haben oder schon hatten. Generell sind die Grenzen schon «sehr hart», zwischen Kantonen, geschweige denn zum Ausland - da gibt es noch wenig Austausch.

Mehr als Austauschgefässe braucht es ein Verständnis für den Kunden. Warum kann ich, wenn ich in Sargans wohne, meinen Pass nicht in Chur ausstellen? Warum muss der Lehrvertrag eines Lernenden für ein Unternehmen in St. Gallen mit Niederlassung in Zürich auch in Zürich genehmigt werden? Können wir die Kosten nicht im Hintergrund dann verwaltungsintern verrechnen? Das machen Banken ja auch so. Raiffeisen zum Beispiel ist in selbständigen Genossenschaften strukturiert, die gemeinsame zentrale Systeme nutzen. Das könnte in Verwaltungen auch gehen.

Wir bedanken uns für die Beantwortung unserer Fragen und wünschen weiterhin viel Erfolg bei den Digitalisierungsbemühungen im Kanton! 

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